Ernest Gustin – Mentor der Sanierung des Museumsgebäudes

17 Okt
Ernest Gustin
*13. Juni 1930 in Vosselaar/Belgien
† 9. Mai 2016 in Herxheim

Am 9. Mai 2016 verstarb im Alter von 86 Jahren Schreinermeister Ernest Gustin – ein Mann mit einem immensen Fachwissen, mit großem Geschichtsbewusstsein und einem untrüglichen Blick für Erhaltens- und Bewahrenswertes. Dabei lagen ihm historische Gerätschaften besonders am Herzen. Aber auch erhaltenswerte Gebäude hatten es ihm angetan. Ohne sein ehrenamtliches Engagement, seine Initiativen und sein tatkräftiges Wirken wären das Stammhaus der Pfadfinder und das Museum Herxheim nicht realisiert worden. Mit beiden Gebäuden wurden der Gemeinde Herxheim vielbeachtete bauliche Schmuckstücke geschenkt. Herxheims Pfadfinderschaft und deren Förderkreis sowie der Herxheimer Heimatverein haben Ernest Gustin zu danken.

Ernest Gustin kam am 13. Juni 1930 in Vosselaar (Belgien, Provinz Antwerpen) als zweites von elf Kindern zur Welt. Er besuchte die Grundschule und danach die Apostolische Schule in Turnhout, eine von den Jesuiten geleitete katholische Schule. Nach der Schulpflicht trat der siebzehnjährige Ernest als Novize ins Jesuitenkloster Dromen bei Gent ein. Als angehender Konverse entschied er sich für den Beruf des Schreiners und besuchte von 1947 – 1951 die Meisterschule in Ostflanderns Hauptstadt Gent. Gleichzeitig absolvierte er eine Ausbildung als Bauzeichner und erwarb ein Diplom in Geschichte.

Gerne wäre er anschließend in die Mission nach Belgisch Kongo gegangen. Seine Ordensoberen jedoch befanden, dass sein handwerkliches Können vor Ort im Kloster Drongen benötigt werde. Er legte die ewigen Gelübde ab und blieb insgesamt 13 Jahre im Kloster. Als er verspürte, dass sein Lebensweg nicht der eines Ordensmannes war, reifte in ihm die Entscheidung, sich laisieren zu lassen. Nach diesem Schritt fand er sich der nun Dreißigjährige fast mittellos vor den Klostermauern wieder und startete seinen neuen Lebensabschnitt wirtschaftlich bei Null.

Beim Elternhaus errichtete er ein Blockhaus, das ihm als Wohnhaus und Werkstätte diente, anfangs von seinen Geschwistern unterstützt, bis ihm Aufträge Geld einbrachten. Franz Grob, später Kaplan in Herxheim und nachfolgend Pfarrer und Leiter der Arbeiterbildungstätte in Jockgrim, war als Mitglied der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ)auch nach Belgien gekommen, wo diese Bewegung von Joseph Cardijn gegründet worden war und nach dem zweiten Weltkrieg zu einer Weltbewegung wurde. Dort traf er Ernest Gustin und ermunterte diesen zu einem Auslandsaufenthalt in Deutschland. Im Jahr 1961 stand dieser mit einem kleinen Koffer in der Hand vor dem Herxheimer Pfarrhaus, wo Franz Grob zu diesem Zeitpunkt als Kaplan eingesetzt war. Er half Ernest zunächst eine Wohnung und dann eine Arbeitsstelle zu finden. Schon bald fand er Anstellung als Bauzeichner bei dem Herxheimer Architekten Erich Weiller.

1963 heiratete er die aus Wiesloch stammende Margarete Kattenbronn.
Nach einer kurzen Zeit als Gesellschafter in einer GmbH führte ihn der Weg 1972 in die Selbständigkeit. Sein Betrieb firmierte unter „Faber Lignum Innenausbau“ in dem er sich auf Inneneinrichtungen ganz individueller und besonderer Art spezialisierte. Alles, was er an Türen, Treppen, Schränken, Kommoden und sonstigen Gegenständen der Inneneinrichtung schuf, waren Unikate. Bei der „Alten Milchzentrale“ in der Niederhohl hatte er seinerzeit seine Werkstatt eingerichtet. Das war auch die Zeit, da in dem Waldstück östlich des Firmengeländes der ehemaligen Firma Lanzet das von ihm geplante und mehrheitlich in Eigenbau errichtete Wohnhaus entstand, das 1976 bezogen wurde. Wer die Gelegenheit hatte, das Haus in der Christophorusstraße zu betreten und seine Umgebung kennen zu lernen, wird unschwer das Besondere, das Einmalige daran festgestellt haben. Es trägt ganz die Handschrift seines Planers und Bauherrn, zeigt es doch Harmonie mit der Umgebung und mit den verwendeten Materialien. Es ist ein Musterbeispiel für nachhaltiges Denken und Handeln.

Ernest Gustin war in hohem Maße sensibel für das von den Vorfahren Überkommene, sowohl hinsichtlich der Gerätschaften der Landwirtschaft, des Handwerks, sowie des Haushalts. In besonderer Weise galt der Bauweise der in Herxheim noch zahlreich stehenden Fachwerkhäuser seine Aufmerksamkeit.

In Belgien, der Heimat von Ernest Gustin, haben Pfadfinder oft ein Stammhaus. So war er es, der die Idee eines Stammhauses für die Herxheimer Pfadfinder streute. Er scharte einen Kreis engagierter Personen aus der Pfadfinderschaft St. Georg um sich, welche die Idee nach einem eigenen Stammhaus der Pfadfinder mittrugen und zu deren spiritus rector er wurde.

Als das Fachwerkhaus in der Unteren Hauptstraße 91 vor dem Abriss stand, ergab sich die einmalige Gelegenheit, das angestrebte Zuhause für die Pfadfinder mit der Übernahme eines Fachwerkhauses und dessen fachgerechter Renovierung für diesen Zweck zu verbinden. Man einigte sich mit den Besitzerfamilien das Haus abzutragen, dieses zwischen zu lagern und zu einem späteren Zeitpunkt an neuer Stelle als Stammhaus der Herxheimer Pfadfinder wieder aufzubauen. Zur Realisierung dieses Vorhabens bedurfte es der Gründung eines Freundes- und Fördervereins im Jahre 1980, dem Ernest Gustin selbstredend angehörte. Ein Jahr später begannen die Abtragungsarbeiten und die Lagerung. Es folgten noch sieben Jahre der Restaurierung der Baumaterialien und der Suche nach einem angemessenen Standort.

Mit dem 1. Spatenstich durch Bürgermeister Weiller im Jahre 1984 begann der Wiederaufbau, der im September 1988 mit der feierlichen Einweihung seinen Abschluss fand.

Die lange Bauzeit kann nur den wundern, der nicht weiß, dass fast alles in Eigenleistung geschaffen wurde und die Baustelle deshalb nur am Wochenende zu Leben erwachte. Es war ein glücklicher Umstand, dass damals die Liebe zum und die Ehrfurcht vor dem Überbrachten sowie die fachliche und handwerkliche Kompetenz eines Ernest Gustin sich mit der zupackenden und ansteckenden Schaffenskraft seiner Mitstreiter symbiotisch verband. Hermann Grimm, Anton Knochel, Georg Kuntz, Helmut Laux, Wolfgang Ohmer, Ignatz Rieder, Alois Dümler, Otto Löffel, Michael Ring, Thomas Hilsendegen, Petro Eisinger und Dieter (Cesar) Flick fanden sich mit ihm zusammen. Nicht zu vergessen ist dabei auch der über die Gegenwart hinaus denkende und das Vorhaben stets fördernde Bürgermeister Elmar Weiller. Alle Personen dieses Kreises – soweit sie für diesen Beitrag interviewt werden konnten – gestehen gerne zu, dass dieses Werk ohne die Mitwirkung eines Ernest Gustin nicht oder zumindest nicht so hätte entstehen können. Sie bestätigen allesamt, dass Geschichtsbewusstsein und Sammelleidenschaft die Triebfedern für das Handeln von Ernest Gustin waren.

Als 1992 der Herxheimer Heimatverein gegründet wurde, gehörte Ernest Gustin selbstverständlich zu den Gründungsmitgliedern. In diesem Kreis von Menschen sah er die Möglichkeit, seine Philosophie der Achtung vor dem Überkommenen, der Verpflichtung zum Bewahren mit Gleichgesinnten praktisch umzusetzen. Sein gewaltiger Fundus an bäuerlichen und handwerklichen Gerätschaften, ebenso an Gerätschaften aus dem Haushalt wurde in den 1990er Jahren stetig vermehrt und bekam mit Unterstützung von Bürgermeister Weiller und durch Zustimmung der Gemeindegremien ein Depot in der Absicht der museumspädagogischen Verwendung zu einem späteren Zeitpunkt. Die Suche nach einem Gebäude in zentraler Lage Herxheims, das der Errichtung und Einrichtung eines Museums dienen sollte, hatte mit dem Kauf des Anwesens Untere Hauptstraße 153 (dem heutigen Museum Herxheim) durch die Ortsgemeinde bald Erfolg. Auch in diesem Falle bestätigen die Mitstreiter aus dem Kreis der aktiven Vereinsmitglieder, dass das Fachwissen, die Liebe zum Detail, die ansteckende Begeisterung eines Ernest Gustin zur Triebfeder für die Vollendung des begonnenen Werkes wurden. Ihm als gelernter Bauzeichner oblagen auch die zeichnerische Darstellung des Objekts in seiner ursprünglichen Ansicht sowie das Sanierungskonzept. Dazu waren Erfahrungswissen und zahlreiche fachmännische Untersuchungen notwendig, über die Ernest Gustin in großem Maße verfügte. Der Rückbau des Hauptgebäudes lag in seiner Verantwortung. Die Vorstandsmitglieder des Heimatvereins wirkten ehrenamtlich viele hundert Stunden und Stefan Flick zeigte sich dabei als interessierter und gelehriger „Schüler“ von Ernest Gustin.

 

Von Ernest Gustin gezeichneter Plan, der als Vorlage für den Rückbau und die Sanierung des Gebäudes von 1792 diente.

Zur 1225-Jahrfeier Herxheims im Jahre 1998 schmückte die vollendete Fassade das Gebäude gegenüber dem Kirchberg, das in seinen Räumen mit „Von der Wiege bis zur Bahre“ erstmals eine Ausstellung beherbergte.

Wenn sich Ernest Gustin danach mehr und mehr ins Private zurückzog, dann nicht nur aus Altersgründen, sondern auch aus Enttäuschung darüber, dass seine Sicht auf die Renovierung der Gebäudlichkeiten des Museums nicht in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben eines öffentlichen Gebäudes zu bringen waren. Der Abbau einer Scheune in der Holzgasse, deren fachgerechten Lagerung und der bald folgende Wiederaufbau erfolgten nicht mehr mit seiner Mitwirkung.

Seine Zuwendung galt nachfolgend ganz seiner Familie, seinen Kindern und Enkelkindern, die ihm eine Freude waren und denen er eine Freude war. Seine beiden Söhne traten nicht nur als Schreiner in die Fußstapfen ihres Vaters, sondern haben auch seinen Blick für das Besondere geerbt, wovon ihre Produkte Zeugnis geben.

In den letzten Jahren ist immer wieder ein Fachwerkhaus aus dem Straßenbild Herxheims verschwunden und durch neue Wohnbauten ersetzt worden, in der Holzgasse und in der Hauptstraße. An diesen Beispielen kann man erkennen, wie wichtig Personen von der Einstellung und vom Schlag eines Ernest Gustin in unserer Gesellschaft sind, zu deren Credo das Sichern und Bewahren, die Ehrfurcht vor dem von den Vorfahren Geschaffenen gehört.

Ohne das Engagement von Ernest Gustin wäre das Erscheinungsbild Herxheims sichtbar ärmer. Ihm haben sowohl der Herxheimer Heimatverein e.V. wie auch der Freundes- und Förderkreis der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg Herxheim zu danken.

Text © Dr. Klaus Eichenlaub

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